Unser Erasmus Projekt zum Dritten Ort

Wir haben schon mehrfach darüber berichtet, dass wir aktuell ein Erasmus-Projekt zum Thema „Dritter Ort“ anleiten. Ein Treffen hier vor Ort gab es bereits im Oktober 2021, nun fand vom 27. bis 29. Januar 2022 ein Training statt, an dem Partner aus vier verschiedenen Ländern teilnahmen: aus Finnland, der Türkei sowie aus Irland und Großbritannien. Nicht alle konnten vor Ort dabei sein, und so wurde es eine hybride Veranstaltung mit Online- und Präsenzteilnehmer:innen. Hier berichtet eine Teilnehmerin von ihren Eindrücken.

„An Tag 1 bekamen alle zunächst einen Überblick darüber, was einen „Dritten Ort“ ausmacht: in den Schriften des amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg ist das Zuhause der erste und die Arbeitsstätte der zweite Ort. Daneben ist der „third place“ ein Ort, der Abwechslung und einen Ausgleich von beiden bietet und idealerweise auf neutralem Boden steht, offen für alle und gut zu erreichen ist. Der indische Theoretiker Homi Bhabha legt anders als Oldenburg den Schwerpunkt beim „third space“ auf die Strukturen und Herangehensweise, die für einen Austausch zwischen verschiedenen Gruppen geschaffen werden. Die Gruppe war sich einig, dass der „Dritte Ort“ mehr ist als nur Räumlichkeiten.

Am Nachmittag unseres ersten Trainingstages stellten wir von der vhs Aalen zwei Projekte vor, die versuchten, einen dritten Ort zu erschaffen: Im Juni 2021 ermöglichten wir die Übergabe einer Wunschliste, die von Aalener Bürger:innen ohne Wahlrecht erstellt wurde, an die OB-Kandidaten. Dies geschah im Rahmen des Projekts „Bring Dich ein – Your Voice matters“: die Stimme, die an der Wahlurne nicht gehört werden kann, haben wir auf der Bühne, die wir den Teilnehmer:innen gegeben haben, sichtbar und hörbar gemacht. Auch die symbolischen Bundestagswahlen, die wir am Wahlsonntag im September 2021 zusammen mit weiteren Partnern aus der Stadtgesellschaft organisiert und durchgeführt haben, können als ein dritter Ort gesehen werden. Die beiden Projekte waren Anlass für verschiedene Gespräche über Zugehörigkeit, Identität und Nationalität – sowohl am Wahltag selbst als auch in unserer internationalen Erasmus-Gruppe.

Am Freitag wurde nochmal das Thema der Herkunft aufgenommen und darüber diskutiert, warum die allseits bekannte Frage „Woher kommst du?“ nicht beliebt ist: Sie suggeriert, dass jemand nicht „von hier“ sein kann. Dabei ist doch das Gefühl der Heimat, der Identität und der Zugehörigkeit sehr individuell und nicht zuletzt mit sehr vielen Emotionen verbunden. Wenn man dagegen die Frage „Kommst du aus Aalen?“ stellt, gibt man seinem Gegenüber die Freiheit, so viel zu sagen, wie er oder sie möchte. Nach diesem – auch emotionalen – Gespräch gingen wir auf einen geführten Stadtrundgang, in dem uns „dritte Orte“ in Aalen begegneten wie das frühere Rathaus mit Café im Erdgeschoss, Kunstverein und Theater in den oberen Stockwerken sowie das Torhaus mit der Stadtbibliothek und natürlich unserer Volkshochschule.

Unsere Gruppe auf einer Führung durch die Aalener Innenstadt. Die virtuell Teilnehmenden haben wir selbstverständlich per Handy-Übertragung ebenfalls mitgenommen.

Unser dritter Tag stand im Zeichen von Aalener „dritten Orten“: wir durften (virtuell) UtopiAA, das Kino am Kocher und das Theater der Stadt Aalen kennenlernen. Die Initiatorin von UtopiAA wollte für sich und ihre Zukunft einen „dritten Ort“ erschaffen, an dem sie mit anderen zusammen die Zukunft gestaltet und die damit einhergehenden Herausforderungen bewältigt. Sie fand 6 Mitstreiter:innen – und heute sind es noch viel mehr Menschen, die sich die 17 Nachhaltigkeitsziele auf die Fahnen geschrieben haben und diese auf ganz verschiedene Weise in mehreren Gruppen verfolgen. Am genossenschaftlichen Kino am Kocher beteiligen sich seit 2006 bereits mehrere tausend Menschen. Die Mitstreiter:innen beschließen das Programm, das gesellschaftlich relevante Themen behandelt. Und sie betreiben vom Kartenverkauf bis zum Filmvorführen alles ehrenamtlich. Dies trifft nicht auf das Theater der Stadt Aalen zu, ein professionelles Theater, das es seit 1991 gibt. Doch auch das Theater möchte als „dritter Ort“ die Aalener Gesellschaft erreichen und Probleme sichtbar machen. Eine Möglichkeit, sich selbst am Programm zu beteiligen, ist für Laien bei den Spielclubs und dem Aalener Bürgerchor möglich.“

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