Am 19. November 2020 wird Dr. Elisabeth Völling einen Online-Vortrag zum Weltkulturerbe im Iran halten. Wir haben ihr vorab einige Fragen gestellt.
Was fasziniert Sie an Persien?
Persien ist nicht nur das Land des mythischen Orients von den Märchen Tausendundeiner Nacht. Persien fasziniert durch seine an Ästhetik kaum zu übertreffende Architektur aus vielen Jahrhunderten. Hier entstand die Poesie, die J. W. von Goethe so hoch schätzte, dass sie in seine eigenen Werke Eingang fand. Ausgeklügelte Bewässerungsanlagen ermöglichten die ersten Gartenanlagen, die von den Griechen paradeisos – Paradies – genannt wurden. In wechselnden Klimazonen haben die Menschen zwischen dem Regenwald am Kaspischen Meer und den Wüsten Lut und Khavir, zwischen Gebirgen und Vulkanen zehntausend Jahre lang zur Entwicklung unserer Zivilisation beigetragen. Dies spiegelt sich in den 24 zum UNESCO Welterbe erklärten Stätten eindrucksvoll wider.
Wie kamen Sie dazu, sich mit dieser Weltregion zu beschäftigen?
In meinem Studium der Vorderasiatischen Archäologie habe ich mich mit den archäologischen Funden und Befunden, mit der Geschichte und den alten Sprachen des Mittleren Ostens beschäftigt. Ausgrabungen im Irak, Forschungsprojekte, Exkursionen und regelmäßige Reisen führten mich immer wieder in diese Region. Allerdings machte die politische Lage nach der Iranischen Revolution 1979 einen Besuch oder einen archäologischen Aufenthalt im Iran zunächst schwer bis unmöglich. Nach Lockerung der Einreisebestimmungen habe ich als Reiseleiterin im ersten touristisch besetzten Sonderzug die kurdische Grenze in den Iran passiert. Der Empfang an der Grenze wie auch an vielen anderen Stätten war überwältigend. Die Gastfreundschaft zeigte sich in eigens für uns organisierten Veranstaltungen, Geschenken, Einladungen, in freundlichen Gesprächen und einem gegenseitigen Austausch über oft ganz persönliche Dinge.
Weltkulturerbe – was ist das denn?
Das Welterbe ist das kulturelle Gedächtnis der Menschheit. Es zeichnet sich durch herausragende Bauten und Denkmäler, deren Funktion und Bedeutung sowie durch eine Vielzahl an lokal spezifischen Traditionen, Handwerkstechniken oder künstlerische Ausdrucksformen aus. Das Welterbekomitee der UNESCO hat Kriterien verfasst, um „unschätzbare und unersetzliche Güter“ nicht nur jeden Volkes, sondern der gesamten Menschheit zu schützen. Doch hinter jedem Bauwerk, jeder technischen Errungenschaft steht ein über Jahrhunderte erworbenes empirisches Wissen, eine Idee oder Philosophie, eine Religion oder Weltanschauung, was als immaterielles Welterbe eigens anerkannt und geschützt wird.

Gibt es wirklich Stätten in Persien, die als Welterbe auch für uns hier in Deutschland „Kulturerbe“ sind? Inwiefern?
In Persien bzw. im Iran, wie das Land seit 1935 offiziell bezeichnet wird, spricht man Farsi, einen arischen Zweig der indogermanischen bzw. indoeuropäischen Sprachfamilie. Diese Sprachen haben sich aus dem indoiranischen Raum nach Westen über ganz Europa und weiter in den Norden verbreitet. Sprache darf, wenn ihre kulturelle Bedeutung verstanden werden soll, nicht nur als Mittel der Kommunikation angesehen werden, sondern sie strukturiert grundsätzlich das menschliche Verstehen der Welt. Aus diesem Verständnis heraus beschreibt J.W. von Goethe seine Affinität zum persischen Dichter und Mystiker Hafis: „. . . da ergriff ich mit besonderer Vorliebe sein inneres Wesen und suchte mich durch eigene Produktion mit ihm in Verhältnis zu setzen“. Das Goethe-Hafis-Denkmal wurde im Jahr 2000 in Weimar eingeweiht. Nicht zuletzt entstand im Kerngebiet der indoeuropäischen Sprachen der erste Monotheismus, der im Avesta dokumentiert ist. Das Avesta ist das heilige Buch der zoroastrischen Religion, die vom altiranischen Propheten Zarathustra gestiftet wurde. Der Kampf zwischen Gut und Böse prägt den Glauben, der Sieg des Guten über das Böse wird am Tag des Jüngsten Gerichts kommen. Das Viertel der Zoroastrier in Yazd sowie die aus Lehm erbaute Altstadt und der Garten Dolat-abad wurde 2017 in das UNESCO Welterbe aufgenommen. Neben der Sprache, der Poesie und dem Monotheismus beeinflussten natürlich die Gärten mit ihren zauberhaften Pavillons und dekorativen wie nützlichen Wasseranlagen unsere herrschaftliche Bau- und Landschaftsarchitektur.
Welche der Stätten, die wir im Vortrag kennenlernen werden, sind für Sie besonders interessant/ästhetisch/wichtig? Warum?
Der Vortrag erzählt die wechselvolle Geschichte des Iran anhand des UNESCO Welterbes. Ich gehe dabei chronologisch vor, d.h. ich beginne mit der ältesten Stätte von Shahr-i-Soktha in der Provinz Sistan an der pakistanischen Grenze. Das jüngst erbaute und in das UNESCO Welterbe aufgenommene Bauwerk ist der Golestanpalast, der Regierungspalast in Teheran, der bis 1979 als offizieller Sitz von den persischen Monarchen genutzt wurde. Natürlich war Persepolis das Glanzlicht altpersischer Kultur und Politik wie auch das Zentrum des ersten Weltreichs der Geschichte, das von Kleinasien über Ägypten bis zum Indus reichte. Jeder Besucher bedauert hier die gründliche Zerstörung durch Alexander den Großen. Aber in den Ruinen fand sich ein für Archäologen wichtiger Schatz, der für Plünderer wertlos war: darüber berichte ich im Vortrag, seien Sie gespannt! Die Safawidische Dynastie etablierte von 1501 – 1722 in Isfahan ihre Hauptstadt. Mit zahlreichen Prachtbauten und Gartenanlagen haben sich die weltoffenen Schahs in Isfahan ein Denkmal gesetzt. Das brachte der an einer Flussoase gelegenen Stadt das Sprichwort „Isfahan ist die Hälfte der Welt“ ein. Das Charisma der Stadt zieht jeden Besucher in seinen Bann, was aber jenes der anderen Stätten nicht schmälert. Sind sie doch sehr gegensätzlich wie die Wüstenstadt Yazd oder die Anlage des Sufi-Zentrums von Scheich Safi ad-Din und der historische Basar in Täbriz im Nordwesten des Landes. Aber vielleicht ist doch die Zikkurat von Tschoga Zanbil mein heimlicher Favorit? Warum das so ist erfahren Sie im Vortrag am 19. November.
Zum Vortrag anmelden kann man sich hier: https://www.vhs-aalen.de/programm/525-C-5866572. Der Vortrag findet auf Zoom statt. Den Zugangslink bekommen alle angemeldeten Teilnehmenden rechtzeitig zugeschickt.